Foto: doubichlou14, 24.04.2017; CC BY-NC-ND 2.0/Quelle: flickr
In Frankreich steht eine Rechtsextreme vor den Toren der Macht, und Tausende Jugendliche demonstrieren in mehreren Städten des Landes unter dem Motto „Weder Marine noch Macron“. Sie weigern sich, „zwischen Banker und Rassistin“ zu wählen, so ein Slogan bei einer Demonstration in Nantes. Ihre Lösung ist die Wahlenthaltung.
Die Lage ist ernst, denn Marine Le Pen hat zum ersten Mal echte Chancen, die wichtigste Wahl Frankreichs zu gewinnen und somit Präsidentin zu werden. Vor diesem Hintergrund ist es besonders unverständlich, dass sich manche Politiker weigern, eine Wahlempfehlung zu geben. Der bekannteste von allen ist der linke Jean-Luc Mélenchon, Chef der Bewegung La France insoumise („Das aufsässige Frankreich“), der beim ersten Wahlgang 19,2 Prozent der Stimmen auf sich zog und somit den vierten Platz belegte. Sein gutes Ergebnis macht aus ihm einen einflussreichen Meinungsbildner. Umso problematischer ist seine Haltung in Bezug auf die Wahl.
Ein Vergleich mit den Reaktionen 2002, als Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl kam, ist ernüchternd: Am Montag nach dem ersten Wahlgang gab es überall in Frankreich große Demonstrationen gegen den FN. Politiker appellierten parteiübergreifend dafür, in der Stichwahl Jacques Chirac zu wählen. Der Konservative wurde mit 82,21 Prozent der Stimmen Präsident – ein klares Signal für die Demokratie, die ohne die starke Wahlbeteiligung in Gefahr geraten wäre.
In den vergangenen 15 Jahren hat sich Frankreich verändert. Die Ungleichheiten sind präsenter, die Kluft zwischen Gewinnern und Verlieren der Globalisierung ist grösser geworden. Die Fronten sind dementsprechend verhärtet. Das Misstrauen gegenüber dem politischen System des Landes erreicht ein hohes Niveau. Nicht nur eine Anti-EU-Stimmung prägte diesen Wahlkampf, sondern auch Verzweiflung und Wut gegenüber den Mächtigen des Landes.
Die meisten „NiNis“ zeigen keine Sympathie für die Ideen des FN. Marine Le Pen versucht zwar, Mélenchons Wähler/innen zu locken, aber sie wird nur eine Minderheit von ihnen überzeugen können. Doch die Zahl derjenigen, die bereit sind, für sie zu stimmen, ist in den letzten Tagen gestiegen. Laut einer Umfrage, die am 26. und 27. April durchgeführt wurde, sind 19 Prozent von ihnen entschlossen, Marine Le Pen ihre Stimme zu geben. Vor dem ersten Wahlgang waren es lediglich 11 Prozent.
Über 40 Prozent von Mélenchons Wähler/innen würde sich hingegen enthalten. Auf Twitter hat der Hashtag #SansMoiLe7Mai („Ohne mich am 7.5.“) großen Erfolg. In den Tweets erklären die „NiNis“, warum sie am Wahlsonntag lieber Petanque spielen oder mit Freunden grillen werden, als ins Wahlbüro zu gehen. Für eine solche (Nicht-)Entscheidung gibt es mindestens drei Gründe.
@MyriamElKhomri @JLMelenchon @MLP_officiel T’es qui pour parler des voix de gauche ? Après avoir usurpé cette dénomination et saccagé le monde du travail ? #SansMoiLe7Mai
— Rémi φ (@Drir_) 24. April 2017
Ce matin, on nous demande de choisir entre la haine des étrangers ou la haine des pauvres. Super, tout va bien. #SansMoiLe7Mai
— Thanaen (@FFThanaen) 24. April 2017
C’est le néolibéralisme qui crée le facho. Voter pour le néolib pour éviter le facho, c’est se préparer à avoir les deux. #SansMoiLe7Mai
— Le Désert (@LeGoulagiste) 24. April 2017
Plus son score final sera élevé, plus le #bankster #Macron sera violent dans son programme de #carnage économique et social. #SansMoiLe7Mai
— Bassounov (@Bassounov) 23. April 2017
Toute voix pour #Macron sera interprétée comme une voix pour le programme de #régression sociale de #Gattaz et #Schäuble. #SansMoiLe7Mai
— Bassounov (@Bassounov) 23. April 2017
Es steht außer Frage, dass Enthaltung Macron schwächen würde – selbst wenn sie ihn nicht den Sieg kostet. Für seine Regierungsfähigkeit in nächsten Monaten und Jahren wird entscheidend sein, wie groß der Abstand zwischen beiden Kandidaten ist. Sollte Le Pen über 40 Prozent der Stimmen erhalten, hätte Macron Schwierigkeiten, für die Parlamentswahl zu mobilisieren und also eine Mehrheit in der Assemblée nationale zu bekommen. Über die Bedeutung der Enthaltung sind sich die „NiNis“ wohl bewusst. Dass sie damit auch Marine Le Pen stärken, scheint aber in ihrem Kalkül eine untergeordnete Rolle zu spielen.